Townhall mit Ludwig Hartmann und Gisela Sengl im Sailer Keller in Traunstein

Am Sonntagabend, den  03.09.2023 um 19:00 Uhr war der Saal im Sailer Keller sehr gut besucht – kaum ein Platz war mehr zu finden für die Nachzügler. Gisela Sengl, unsere Vertreterin im Bayerischen Landtag und Ludwig Hartmann – der Spitzenkandidat der Grünen  – hatten eingeladen zu einer „Townhall“ – das ist neudeutsch für einen Gedankenaustausch und Diskussionsforum zum Auftakt der heißen Phase im Wahlkampf.

Gisela Sengl eröffnete den Abend mit einem Impulsvortrag, in dem sie auf den aktuellen politischen Skandal einging, der derzeit die bayerischen Landschaft erschüttert und polarisiert: der Skandal um das den Holocaust verharmlosenden Flugblatts, das bei H. Aiwanger gefunden wurde. Der politische Anstand, der ganz offensichtlich immer stärker erodiert – und der mitgetragen wird durch Markus Söder. Die Grünen sehen darin einen eklatanten Bruch der gesellschaftlichen Erinnerungskultur und einen Tabubruch. Das – so sagte sie – ist nicht, wofür die Grünen stehen. Die Grünen stehen für einen respektvollen Umgang, sie stehen für gesellschaftliche Verantwortung gerade auch für die Vergangenheit. Populismus, der in komplexer werdenden Umfeld mit einfachen Antworten Lösungen verspricht, geht in die falsche Richtung.

Die „bürgerliche Mitte“ in der sich CSU und FW verorten sind keineswegs die bürgerliche Mitte. Auch die Vorgänge im Bierzelt in Hart, in der ein Pfeifkonzert dem Landwirtschaftsminister Cem Özdemir entgegenschlug und keinen Austausch mehr ermöglichte zeigen, dass hier schon lange keine bürgerliche Mitte mehr zu finden ist. Niemand von der CSU oder vom Bauernverband hatte sich übrigens im Nachgang zu diesen undemokratischen Vorgängen positioniert.

Vielmehr sind es die Grünen, die für eine bürgerliche Mitte stehen, für Demokratie und Diskurs.

Im Anschluss übernahm Ludwig Hartmann das Mikrofon. Er sprach davon, dass Markus Söder am Vormittag um 11:00 nicht als Staatsmann, sondern als Wahlkämpfer aufgetreten sei. Der Satz „Es wird keine schwarz-grüne Regierung geben“ – als ersten Satz! – greift doch dem Wählerwillen vor und zeugt von einem Taktierer, dem es um den Machterhalt gehe und nicht um die Lösung der drängenden und anstehenden Probleme.

Bayern habe eine bessere Regierung verdient. Die Gründe für eine bessere Regierung sind vielfältig und lägen auf der Hand, denn der Stau an Problemen ist enorm und fordert eine bessere Regierung.

Im Nachgang zu den Impulsvorträgen von Ludwig Hartmann und Gisela Sengl wurde das Plenum für die Themen und Fragen der anwesenden etwas mehr als 100 Interessierten und Engagierten geöffnet. Hier sah und hörte man, welche Themen den Bürger*innen auf den Nägel brennen und die lebhafte Diskussion im Anschluss an die Vorträge zeigte, dass es ein großes Verständnis gibt, vor welchen Herausforderungen wir als Gesellschaft stehen. Die Bereitschaft, sich den Themen zu stellen ist da – jetzt kommt alles auf einen erfolgreichen Wahlkampf an.

ENERGIEVERSORGUNG

Vor nicht allzu langer Zeit hat die Energiewirtschaft vorhergesagt, dass maximal 2% des Strombedarfes durch Erneuerbare gedeckt werden könne. Das ist falsch! Heute stammen bereits 46% der Energie aus regenerativen Quellen. Auch wurden bereits Reservekohlekraftwerke wieder aus dem Betrieb genommen. Wichtig ist es allerdings, mit Hochdruck Speicherkapazitäten – auch Insellösungen – auszubauen. Die Industrie ist bereit, ihre Produktion an den schwankenden Energiepreismarkt anzupassen. Mit dieser Flexibilität zeigt die Industrie, dass sie sich auf den Weg macht und in der Lage ist, sich  neuen Gegebenheiten anzupassen.

  • der Strombedarf Bayerns ist enorm – allein das Chemiedreieck in Gendorf verbrauche heute 1,3 – 1,6% des deutschen Gesamtbedarfs – hier müsse schnell gehandelt werden
  • eine verschleppte Energiewende im eigenen Land, die jetzt kraftvoll vorangetrieben werden muss und gleichzeitig den Bürgern neben der Wertschöpfung, Beschäftigung auch Unabhängigkeit vom internationalen Energiemarkt garantiert, weil erneuerbare Energien kostenlos sind
  • die Energiewende mit Wind und Strom sind das Rückgrat der Energieversorgung in Bayern
  • Die Grünen wollen bis 2024 2% der Fläche Bayerns als Vorranggebiete für Windkraftanlagen ausweisen – Söder bis 2032
  • bisher wurden in den Staatsforsten von 500 angekündigten Windkraftanlagen eine einzige realisiert und lediglich vier weitere befinden sich im Genehmigungsstatus.
  • Eine fossile Energiegewinnung verbrenne die Zukunft unserer Kinder

KLIMA – Klimaschutz ist Menschenschutz

Die Grünen stehen ja programmatisch immer schon für Klimaschutz

  • extreme Wetterlagen werden immer krasser, jüngstes Beispiel die Starkregenereignisse in Nürnberg, Augsburg oder auch im Chiemgau belegten das
  • Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen vorantreiben – auf kommunaler Ebene müssen z.B. Schwammstädte entstehen, um Starkregenereignisse aufzufangen und abzumildern

BILDUNG / CHANCENGLEICHHEIT

Ludwig Hartmann bemerkte, dass aktuell die Ressourcen im Bildungsbereich endlich seien, aber die Grünen wollen erreichen, dass es keinen Schulabgänger ohne Abschluss die Schule verlässt, Schulen – auch Berufsschulen – müssen gestärkt werden. Die Politik plant hier zu kurzfristig! Auch bereits die frühkindliche Bildung in Kindergärten und Kindertagesstätten muss aufgewertet werden. Chancengleichheit für alle Kinder ohne Abhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern

Die WOHNUNGSNOT ist auch für Migranten ein großes Thema, was die Integration zusätzlich erschwert. Hartmann will erreichen, dass mehr sozialgebundene Wohnungen entstehen. Alleine jedes Jahr fallen 16% der Sozialwohnungen aus der Sozialbindung heraus. Die Grünen schlagen daher vor, dass die Sozialbindung durch eine Einmalzahlung um weitere 20 Jahre verlängert wird. Auch soll der Freistaat zukünftig seine eigenen Grundstücke nicht mehr höchstbietend veräußern können, sondern an die Bedingungen für sozialen Wohnungsbau knüpfen. Ddamit kann der Wohnungsbau gezielt und dauerhaft erhalten bleiben.

AUSBAU A8: hier ist Gisela Sengl in dem Verein „Bürger setzen Grenzen“, der sich gegen einen sechsspurigen Ausbau zur Wehr setzt, die von Rosenheim bis Salzburg geplant wird. Hier sollen zusätzlich Bauern und Biobauern enteignet werden. Wertvolles Weide- und Ackerland soll einem unsinnigen und unnötigen Ausbau der A8 weichen. Mittlerweile hat sich auch die erste Kostenschätzung für den geplanten Ausbau verdoppelt! Und Maßnahmen zum Lärmschutz der Anwohner*innen sind noch nicht einmal gepllant und berücksichtigt.

Die Erweiterung der A8 um einen Pannenstreifen, der bislang fehlt, ist jedoch nachvollziehbar und wird unterstützt.

KRANKENHAUSREFORM: hier sieht Ludwig Hartmann ein wichtiges und berechtigtes Vorhaben der Bundesregierung, allerdings hat sich Bayern aus dem ganzen Diskurs zurückgezogen und bringt sich in die (Bundes-)Verhandlungen nicht ein. Mit diser Verweigerungshaltung ist Fortschritt ehr schwer zu erreichen.

POLITBAROMETER: das kontinuierliche Erstarken der AFD – ein Dilemma für demokratische Parteien und Wahlkampf: Ludwig Hartmann sieht das als ein ausgesprochen wichtiges Thema. Die AFD punktet mit einfachen Lösungen in einer immer komplexer werdenden Welt. Viele Krisen, Migrationsdruck, Fachkräftemangel – alles auf einmal überfordert viele Menschen und da verfangen einfache Lösungen und Antworten der AFD. Aber auch MP Söder hat mit seinen vielen gebrochenen Ankündigungen und Versprechen (Windkraft, Wohnungsbau etc.) eine klare Verantwortung, dass sich enttäuschte Wähler von Parteien des demokratischen Spektrums abwenden.

Für die Grünen sieht er Verbesserungspotential in der Kommunikation und dass die Erfolge, die erreicht wurden in den Krisen – z.B. gefüllte Gasspeicher – nicht laut genug gefeiert werden. Hier muss viel mehr Aufmerksamkeit auf Erreichtes und Positives gelenkt werden. Für den Wahlkampf rät er, das Gespräch nicht abreißen zu lassen – auch mit AFD-Wählern. Mittelfristig kann man auch hier Wähler zurückgewinnen.

Gisela Sengl sieht hier ergänzend die Bildung als wichtigen Weichensteller für den Erhalt der Demokratie. Doch leider wurden beständig die Mittel des Freistaates gekürzt.

WASSER: Die Grünen haben die Initiative ergriffen, um den Erhalt unseres Wasserhaushaltes und den Erhalt des Tiefengrundwassers zu beschützen. Das führte zu dem „Bayer. Wassergrundsicherungsgesetz“, das die Grünen nicht nur angestoßen, sondern auch maßgeblich entwickelt haben, nach die bayerische Regierung zulassen wollte, dass Konzerne auch – beinahe kostenlos – noch das Tiefengrundwasser – unsere eiserne Reserve! – ausbeuten dürfen.

Die Grünen wollen die Wasserschutzgebiete weiter in Bayern ausbauen von 2 auf 5% der Fläche. Auch Grauwasser soll nicht in die Meere fließen und verschwinden sondern zukünftig in die Fläche zurückgebracht werden.

UMGANG MIT LANDWIRTEN

Gisela Sengl, als Sprecherin für Landwirtschaft bei den Grünen, äußerte sich hier dezidiert: Es  gibt natürlich kein Feindbild, denn die Landwirtschaft ist gerade in Bayern wichtig. Es muss die wachsende Entfremdung aufgelöst werden und Verständnis füreinander aufgebaut werden. Allerdings ist die Landwirtschaft mittlerweile eine intensive Hochleistungsindustrie geworden und hat mit der kleinbäuerlichen Landwirtschaft von ehedem nichts mehr gemeinsam. Vielmehr ist eine Rückkehr zu kleineren Strukturen erforderlich, das Artensterben ist leider auch durch den Einsatz von Pestiziden in der heutigen Agrarindsutrie zurückzuführen. Sie befürworte eine Umverteilung der europäischen Förderung für eine Landwirtschaft die beiträgt zum Arten- und Klimaschutz.

Der Bioanbau soll von derzeit 13% auf 30% hochgefahren werden. Auch Schulküchen und Kantinen sollen möglichst viel Bio-Lebensmittel verarbeiten.

CHANCENAUFENNTHALTSGESETZ

Migration ist in Bayern ein weiteres wichtiges Wahlkampfthema: Mit dem Chancenaufenthalts-gesetz der Ampel-Regierung gelingt es, Migrant*innen zu Kollegen, Mitarbeitern und Steuerzahlern zu machenWichtig ist einen schnelle Integration von Migranten und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, wobei der Spracherwerb eine wichtige Bedingung dafür ist. In der Industrie werden Arbeitskräfte händeringend gesucht. Auch brauchen wir Willkommenszentren, die den Arbeitssuchenden einen Weg in den Arbeitsmarkt aufzeigen und nicht  wie bislang – verhindern.

MOBILITÄT / AUSBAU ÖPNV*

Auf dem Land,  so L.Hartmann, wird absehbar das Auto unverzichtbar sein.  Die Grünen wollen den Ausbau von ÖPNV und auch Ruftaxis stärken. Bestehende Straßen sollen saniert werden, aber es muss einen Stop für neue Straßen.

* Öffentlicher Personennahverkehr

Verfasst von Bettina Günther