„Die Gesundheitsvorsorge ist eine Pflichtaufgabe des Landkreises – dazu stehen wir“
Mit diesen Worten begrüßte der langjährige Kreisrat und Landratskandidat von Bündnis 90/Die Grünen, Sepp Hohlweger, die Gäste in der Meindl Alm in Bergen zu seinem Informationsabend über die medizinische Versorgung im Landkreis Traunstein.
„Nach schwierigen Jahren, insbesondere bedingt durch die Corona-Pandemie, mussten wir wirtschaftlich reagieren. Wichtig war uns dabei, Versorgungssicherheit zu erhalten, Defizite abzubauen und neue Nutzungsperspektiven für nicht mehr benötigte Klinikstandorte zu schaffen.“
Strukturreform notwendig – Entscheidungen zu spät getroffen
Bereits seit Mitte der 2010er-Jahre waren einige Klinikstandorte in wirtschaftlicher Schieflage. Die Corona-Krise verschärfte die Situation massiv – planbare Eingriffe mussten verschoben werden, die Personalkosten stiegen, die Fallzahlen sanken. Auch die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach angestoßene Reform konnte bisher keine schnelle Verbesserung bringen. Im Gegenteil: Die strukturellen Probleme – Überkapazitäten, fehlende Planung, wirtschaftliche Ungleichgewichte – bestehen weiter. „Die notwendige Umstrukturierung ist in anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg seit Jahren im Gange – in Bayern ist sie politisch nicht gewollt. Krankenhauspolitik auf Landkreisebene heißt oft: keine Klinik schließen, um nicht Wähler zu verlieren. Das rächt sich jetzt.“
Klinikverkäufe mit Zukunftsperspektive
Im Rahmen des Hilfspakets wurden unter anderem die Klinikstandorte Ruhpolding und Freilassing verkauft:
∙ Ruhpolding: Die dortige Geriatrie war nicht mehr wirtschaftlich tragfähig. Das Gebäude wurde vom Landkreis übernommen und künftig als Campus Chiemgau genutzt – mit Wohnraum für Studierende und Lehrsälen für den Studiengang E-Commerce.
∙ Freilassing: Der Landkreis Berchtesgadener Land übernimmt den Klinikstandort, der bisher schwerpunktmäßig psychiatrische Leistungen erbracht hat. Eine medizinische Grundversorgung ist weiterhin vorgesehen.
Die verbleibenden Klinikstandorte – Traunstein (Vollversorger, Lehrkrankenhaus der TU München), Bad Reichenhall, Trostberg und Berchtesgaden – werden gezielt gestärkt und weiterentwickelt. Insgesamt umfasst die Kliniken Südostbayern GmbH weiterhin rund 1.200 Betten.
Gemeinsam für eine stabile Gesundheitsversorgung: Landkreise setzen auf Zusammenarbeit und klare Prioritäten
In einer herausfordernden finanziellen Gesamtlage setzen die Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land künftig verstärkt auf Zusammenarbeit, Transparenz und nachhaltige Planung – insbesondere im Bereich der Gesundheits- und Bildungsinfrastruktur.
In einem kürzlich stattgefundenen Austausch der Fraktionssprecher beider Kreistage wurde deutlich: Nur durch abgestimmte Strategien lassen sich die großen Herausforderungen in der Kliniklandschaft und bei laufenden Investitionsprojekten gemeinsam bewältigen.
„Wir haben in den vergangenen Jahren zu oft übereinander statt miteinander gesprochen. Jetzt geht es darum, Verantwortung zu teilen, Kräfte zu bündeln – und dabei die Versorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Blick zu behalten“, so Sepp Hohlweger.
Klinikstruktur: Leistung sichern, Vertrauen stärken
Im Mittelpunkt steht derzeit auch die langfristige Sicherung der Klinikstandorte. Während sich die Zusammenarbeit mit einzelnen Landkreisen wie Rosenheim aktuell noch schwierig gestaltet, gibt es im Bereich Digitalisierung bereits enge Kooperationen mit Mühldorf und Altötting.
„Die Menschen müssen wieder Vertrauen in ihre wohnortnahen Kliniken gewinnen. Gute medizinische Versorgung darf kein Zufallsprodukt sein – sie braucht stabile Strukturen, verlässliche Finanzierung und medizinische Qualität“, mahnte der Landratskandidat.
Die Klinikfusion aus dem Jahr 2010 habe zwar Strukturen zusammengeführt, aber nicht alle Probleme gelöst. Fehler in der Vergangenheit – wie fehlendes Controlling, Fehlinvestitionen oder unklare Führungsstrategien – hätten gezeigt, wie wichtig wirtschaftliche Transparenz und professionelle Steuerung heute sind.
Politik mit Augenmaß statt Größenwahn
Ein zentrales Anliegen sei dabei, nicht in alte Muster zu verfallen: Die Konzentration aller medizinischen Leistungen auf zentrale Standorte – etwa Traunstein – dürfe nicht zu Lasten anderer Regionen gehen.
„Wir brauchen keine Sonnenkönige, sondern ehrliche Politik mit Verantwortung für die Region. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf erreichbare und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung – in Reichenhall genauso wie in Trostberg oder Traunstein.“
Die Landkreise bekennen sich klar zur medizinischen Grundversorgung vor Ort und fordern im Zuge der bundesweiten Krankenhausreform von Bundesminister Lauterbach eine faire Berücksichtigung ländlicher Regionen. Es wurden im Laufe des Abends noch weitere wichtige Themen der Landkreispolitik angesprochen:
Großprojekte wie Campus Chiemgau und Berufsschule 1
Hier sind die Investitionen gesichert.Trotz angespannter Haushaltslage setzt der Landkreis seine Investitionsprojekte wie den Neubau der Berufsschule 1 sowie den Bau des Campus Chiemgau planmäßig fort. Beide Vorhaben werden gemeinsam rund 180 Millionen Euro kosten, die über einen längeren Zeitraum finanziert werden sollen. Ein Rückbau der Planungen sei weder wirtschaftlich noch sinnvoll, da viele Maßnahmen bereits in der Umsetzung sind.
MVV-Beitritt: Chance statt Kostenfalle
Auch der mögliche Beitritt zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) wurde in der Runde thematisiert. Für viele überraschend: Die Einstiegshürden werden oftmals überschätzt. Strukturen, digitale Systeme und Verwaltung seien längst vorhanden.
„Ich war ehrlich erstaunt, wie sehr der MVV-Beitritt als Kostenblock diskutiert wird. Dabei sind digitale Systeme und Verwaltung längst vorhanden – man müsste es nur nutzen. Andere Landkreise wie Mühldorf, Altötting oder Rosenheim gehen diesen Weg, so falsch kann das also nicht sein“, betonte Sepp Hohlweger.
Ein MVV-Beitritt würde nicht nur die regionale Mobilität stärken, sondern auch den Wirtschaftsstandort und die Lebensqualität spürbar verbessern – gerade im ländlichen Raum.
„Was wir brauchen, sind ehrliche, vorausschauende Entscheidungen – nicht den Blick in den Rückspiegel. Das gilt für die Energie-, Verkehrspolitik ebenso wie für die Krankenhausplanung.“