Mehr Wohnraum durch neue Bau- und Wohnkonzepte

Expertenvortrag über zukunftsfähiges Bauen am Land 

Wie werden wir in Zukunft bauen und wohnen – gerade bei uns am Land? Diese Frage führte kürzlich über 60 Bürgerinnen und Bürger in das Gasthaus d’Feldwies nach Übersee. Die Landtagsabgeordnete Gisela Sengl und der Ortsverband Überseehatten den Architekten Stefan Kohlmeier eingeladen, der unter anderem den Kulturhof Stangaß in BGL geplant hatte. „Grund und Boden ist knapp – aber alle Bürgerinnen und Bürger haben das Recht auf eine angemessene Wohnung“, betonte Gisela Sengl. Der Staat und die Kommunen seien deshalb in der Pflicht, Leerstände zu nutzen, genossenschaftliches Bauen zu fördern und mehr Mietwohnungen bereitzustellen. „Dabei muss zukünftig klimafreundlicher gebaut werden“, so Sengl, „immerhin verursacht der Gebäudesektor aktuell 40 Prozent unserer CO2-Emissionen.“ 

Übersee sei eine Boom-Gemeinde, bezahlbarer Wohnraum werde dringend benötigt, berichtete die Zweite Bürgermeisterin Margaret Winnichner in ihrer Begrüßung. „Seit Corona gab es in unserer Gemeinde einen Zuzug von ca. 300 Bürgerinnen und Bürgern, dank Homeoffice und guter Bahnanbindung.“ 

Architekt Stefan Kohlmeier stellte in seinem Vortrag einige Bauprojekte vor. Bei einem Projekt in Bad Birnbach wurden drei Wohn- und ein Bürogebäude um einen Hof herum gruppiert; über den gemeinsamen Innenhof entstand ein soziales Miteinander der Bewohner und Büronutzer. „Eine solche Mischung von Arbeit und Wohnen belebt die Dörfer“, betonte Kohlmeier. 

Grundsätzlich sei der Wohnraum falsch verteilt, so Kohlmeier. Zu viele Einfamilienhäuser würden von Ein- bis Zwei-Personen-Haushalten genutzt. Dabei habe das Einfamilienhaus für einen bestimmten Lebensabschnitt, eine Familie mit Kindern, durchaus seine Berechtigung. „Aber wir müssen über eine sinnvolle Nachnutzung durch Teilung oder Tausch mit kleinerer Wohnung nachdenken“, regte Kohlmeier an.

Ein weiteres Beispiel für neue Wohnformen für das Land ist der Pallaufhof, ein Mehrgenerationenhaus in der Gemeinde Münsing. Die Gemeinde hatte das Gelände des alten Pallaufhofes gekauft und wollte es ursprünglich für Einfamilienhäuser ausweisen. Um auch Einheimischen günstiges Wohnen zu ermöglichen, entstand in Anlehnung an den Baukörper des alten Hofes ein Entwurf von zwei langestreckten Baukörpern mit verschiedenen Wohnformen unter einem Dach. Mit Erfolg: „Die Einheimischen-Quote des Gemeinderats liegt bei 60 Prozent; aktuell wohnen aber sogar 73 Prozent Einheimische dort“, berichtete Kohlmeier. Beim vorgelagerten Bürgerbeteiligungsprozess stimmten sogar 87 Prozent der Einwohner für das Projekt.

Die Gebäude sind in Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohneinheiten unterteilt; zusätzlich gibt es noch Gemeinschaftsflächen wie einen gemeinsamen Anger oder einen größeren Aufenthaltsraum für Feiern und Gäste. Anstatt der mit der ursprünglichen Planung möglichen 12 Wohneinheiten konnte die Gemeinde auf dem insgesamt 0,73 Hektar großen Gelände nun sogar 33 Wohneinheiten realisieren.

Bei der anschließenden Diskussion berichtete Bergens Bürgermeister Stephan Schneider, dass seine Gemeinde bereits erfolgreich mit dem Programm KommWFP, mit dem der Freistaat Neubau und Sanierung von Wohnraum fördert, bezahlbaren Wohnraum geschaffen habe. Die Mietpreise lägen deutlich unter Marktniveau; allerdings sei es wichtig, dass Gemeinde und Verwaltung voll dahinterstünden, da Wohnungsbau und -bewirtschaftung für die Verwaltung hohen Aufwand bedeuteten.

Kohlmeiers Fazit: Wir brauchen mehr Offenheit für neue Bauformen. Und: „Die Kommunen müssen in Sachen Wohnraum aktiv werden und das Leben ihrer Bürger positiv gestalten.“ Gemeinden könnten beispielsweise damit beginnen, relevante, leerstehende Gebäude wie ehemalige Banken oder Gasthäuser und freie Grundstücke zu erwerben. Mit innovativen Planungen, intelligenter Erschließung und gemeinsamen Parkflächen ließe sich anschließend viel Geld sparen und somit günstiger Wohnraum schaffen. Gisela Sengl warb für Offenheit für solche Konzepte: „Der Blick über die eigene Hecke hinaus kann sich durchaus lohnen!“

Gisela Sengl
MdL
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN